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Nachgedacht & aufgeschrieben

Hier veröffentlichen wir Texte und Gedanken von Frauen der GrossmütterRevolution.

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​Ingeborg Budde: Selbstbestimmung oder Fremdbestimmung

Wie komme ich los von alten Denkmustern, die mich hindern, meine Träume zu verwirklichen, und darf ich mit 70 überhaupt noch Zukunftsvisionen haben?

Lebe und arbeite ich anders als früher – vereinzelter oder vernetzter? Wie kann ich mir im Alter meine Neugier erhalten?

Das sind alles Fragen, die ich mir immer wieder stelle, wenn ich merke, dass ich nicht den Erwartungen meiner Umwelt (Familie und Freunde) entspreche und wenn ich aus dem Bedürfnis «dazuzugehören» Dinge tue, die für mich nicht stimmig sind.

Was hindert uns Frauen daran, auch im Alter noch unsere Talente auszuüben und Träume zu verwirklichen?

Vielleicht sind immer noch irrationale Ideen bei uns gespeichert, wie zum Beispiel dass «man gute Leistungen liefern muss», um von wichtigen Menschen geschätzt zu werden und sonst nichts wert ist.
Wenn ich meine Aufmerksamkeit heute auf Dinge richte, die mir wichtig sind und meinen echten Bedürfnissen entsprechen, ist das wie ein «Dünger» für zukünftige Visionen bis zum Ende meines Lebens. Auch eine andere Wohnform im Alter gehört für mich zur Selbstbestimmung.
Das übliche Angebot für Senioren fürs «frohe Alter» ist fas ausschliesslich auf Konsum ausgerichtet und entspricht nicht wirklich einem «frohen Alter» (Aussage von Ottilia)
Ich zitiere Ottilia: «Wir wollen uns nicht versorgen lassen, wir wollen selber gestalten.»

Wir Seniorinnen müssen uns einen Hintereingang ins «Gesellschaftliche Paradies» suchen oder vielleicht schon zufrieden sein mit einer «Parklücke» für unsere letzte Rennstrecke.
Dazu braucht es nur etwas Mut, um Neues auszuprobieren, was wirklich Spass macht.

Je mehr Mitstreiterinnen interessiert sind an «ein Labor der Zukunft auch für Leute über 60» umso eher wird sich etwas verändern am überlieferten Altersbild in den Köpfen der Politiker, Medien und Siedlungsplaner.

Wädenswil Juni 2011.06.02, Ingeborg Budde, GrossmütterRevolution

Marianne Waldvogel: Elei

Elei

Scho lang
Mit Zwang
S’isch verschide
Gschide?
Na schlimer
Scho immer
Ohni
Oder verstorbe
De wod geborge
Wärsch-
S’isch Sunntig
Hocksch da
Stuur
Licht suur
Die andere
Am wandere
Paarwis
S’isch ruuch
Kein Familieschluuch
D’Enkel i irne Wälte
Am zälte
D’Söhn
Händs suscht schön
D’Fründe
In Bünde
Keis Phon
Kein Ton
Luuter
Mischt im Computer
Keis Date
To late
Lisch verquär
Läär
Statt kose
Arthrose
Niemert zum strite
Zum chifle
Gofe
Überobe am tobe

Und
Em Nachber sin Hund
S’nervt gwaltig
Bruchsch Haltig
Chunsch druus?
Häsch en Blues
Einewäg
Nid zwäg
Und das elei
Dihei –
Es brännt
Im Momänt
He verwache
Öppis mache
Es Heck
Ad Seck - -
Schuufsch i
Schnuufsch us
Suechsch nöie Pfuus.
Elai dihei?
Und niemert seit wodurre
Sälber dänke
Ziit verschänke-
Hüt go wandere
Morn zum andere
Und im Bett
S’wett
Niemert öppis
Häsch die rue
Zue - -
Wagsch en Schritt
Ohni bucke
Ohni Chrucke
Keis Klön
Kei schiefi Tön
Bisch dihei
Elei
Wau E zfridni Frau - -

Marianne Waldvogel, 2012

Luise F. Pusch: Grosselternzeit - Das Modell Opa

Glosse von Luise F. Pusch, erschienen am 30. September 2012, in FemBio (Frauenbiografieforschung)

«Die Pläne von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) für eine Grosselternzeit nehmen konkrete Formen an. Bis zu drei Jahre sollen berufstätige Omas oder Opas am Arbeitsplatz eine Auszeit nehmen können, um ihre Enkel zu betreuen und so die eigenen Kinder zu entlasten. Die Grosselternzeit sieht allerdings weder einen Lohnersatz noch Beiträge des Arbeitgebers für Rente und Krankenkasse während dieser Auszeit vor. […] Sozialpolitiker fürchten …, dass vor allem den Grossmüttern während einer beruflichen Auszeit zur Enkelbetreuung weitere Beitragsmonate in der Rentenversicherung verloren gehen.
Was sagt die Opposition? Weder das Betreuungsgeld noch die Grosselternzeit könnten ein bedarfsgerechtes Angebot von Kita-Plätzen ersetzen, sagen übereinstimmend SPD, Grüne und Linke.»

So Die Welt kompakt am 28.9.12, nachzulesen hier: www.welt.de

Die Grosseltern sollen also auf bezahlte Arbeit verzichten, um unbezahlt Familienarbeit zu leisten. Ich finde, das ist eine Zumutung. Ich könnte der Idee allenfalls etwas abgewinnen, wenn aus der Grosselternzeit eine Grossväterzeit würde. Nach folgender Regel: Für die «Grosselternzeit» kommt diejenige Person in Frage, die sich um die «Elternzeit» gedrückt hat. In der Regel waren und sind das die Väter, von denen inzwischen viele zu Grossvätern geworden, vielleicht sogar zu «neuen Grossvätern» herangereift sind wie manche ihrer Söhne zu «neuen Vätern». Die Grossväterzeit als letzte Gelegenheit, sich auch mal selber um den Nachwuchs zu kümmern.

Vor drei Jahren habe ich mich schon einmal mit der Abschiebung der Kinderbetreuung an die «Grosseltern» beschäftigt. Ich fürchte, meine Beobachtungen und Bedenken von damals sind noch immer aktuell. Sehen Sie selbst; ich habe den Text nur leicht abgeändert:

In der Zeit Nr. 24 vom 5. Juni 2008 schreibt Angelika Dietrich unter der Überschrift «Oma, du bist mein Freund» einen Artikel über das Enkelsitten, wie sie es nennt. Er beginnt mit der Zusammenfassung, die uns neugierig machen und zum Weiterlesen anregen soll: «Die Grosseltern sind unentbehrliche Babysitter, wenn die Eltern berufstätig sind. Aber konfliktfrei ist dieses Arrangement nicht.»

Wie denn nun? Oma oder Grosseltern? Ich bin tatsächlich neugierig geworden. Wir wissen schon, dass die Frauen auch noch im fortgeschrittenen Alter fast die ganze Familien-Arbeit alleine machen, aber zunächst wird uns noch etwas mehr Sand in die Augen gestreut:

30 Prozent der Grossmütter in Deutschland betreuen mindestens einmal pro Woche ihre Enkelkinder. Bei den Grossvätern ist es etwa ein Viertel. Und weniger regelmässig hüten fast 60 Prozent der Grossmütter und mehr als die Hälfte aller Grossväter innerhalb eines Jahres ihre Enkelkinder. Das haben Karsten Hank von der Universität Mannheim und Isabella Buber vom Demographischen Institut Wien in einer Studie zu Generationenbeziehungen im alternden Europa festgestellt.

Also in beiden Gruppen, wenn ich richtig rechne, sollen die Grossväter grade mal 5 Prozent weniger beteiligt sein am Enkelbetreuen? Ich glaube das nicht. Und die Autorin anscheinend auch nicht. Denn im Rest des Artikels redet sie nur nur noch vom Modell Oma:

Das Oma-Modell ist für die, die keine Oma zum Kinderhüten haben, Anlass zum Neid: Die Oma kostet nichts, die Oma hat keine Schliesszeiten, die Oma ist keine fremde Bezugsperson, man kennt die Erziehungsmethoden. Die Oma als Zauberformel, die alle Betreuungssorgen löst.

Opa kommt auch tatsächlich in dem ganzen Artikel nur ein einziges Mal vor, und zwar sagt eine weit auswärts enkelsittende Oma über ihn: «Ich habe ja hier auch noch mein Leben und meinen Mann. Der ist nicht sehr häuslich. Wenn ich weg bin, koche ich vor und bitte die Nachbarn, den Müll rauszustellen.»

«Nicht sehr häuslich» ist gut. Ihr Mann ist offenbar ein Oberfaultier – dass sie es mit ihm noch aushält, kann nur an seiner üppigen und ihrer Mini-Rente liegen. Und ihre Minirente liegt daran, dass sie ihre Berufstätigkeit wegen der Kinder aufgegeben oder unterbrochen hat.

Und wo hat Opa gelernt, dass er noch nichtmal den Müll alleine rausstellen kann, so dass seine Frau das mit Hilfe der Nachbarn (ich vermute: Nachbarin) organisieren muss? Sicher schon in frühster Kindheit, als seine Mutter alles hinter ihm her räumte, ihn bekochte usw. Und wenn die nicht (mehr) konnte, kam die Oma zu Hilfe.

Der Artikel schliesst mit einer herzigen Betrachtung:

Als sich Annemarie Seifert auf ihren neuen Job einliess, war sie 74. Ob sie je bereute, was sie sich da auflud? Sie schweigt ein wenig, die Bäckchen werden rosa, dann sagt sie: «Wenn Jasper sagt, ‹Oma, du bist mein Freund›, da geht einem das Herz auf. Das ist immer der Mühe wert.» Und ihre Tochter muss einfach damit klarkommen, dass die Kinder am Freitag «Oma» zu ihr sagen.

Aber nicht nur die Kinder sind konfus. Alle sind konfus. Ist ja auch kein Wunder bei der konfusen Sprache, die die Arbeit der Omas den «Grosseltern» zuschreibt.

Natürlich ist das Modell Oma beliebter, weil Kinder unter weiblicher Obhut einfach sicherer sind, sicher vor allem vor Pädokriminalität. Das ist aber kein Grund, die ganze Last den unbezahlten Grossmüttern zu überlassen und das dann «Grosselternzeit» zu nennen. Pädokriminalität ist ein Problem von grausamer Tragweite; sie droht nicht nur von Grossvätern, sondern auch von Vätern, Erziehern und Betreuern in den Kitas. Pädokriminalität geht von Männern aus und wird erst aufhören, wenn wir eine ganz andere, nichtpatriarchale Kultur haben. Die Grossväterzeit wäre ein – wenn auch risikobehafteter – Schritt in diese Richtung.

Luise F. Pusch
Luise F. Pusch

ist Sprachwissenschaftlerin und Publizistin und lebt in Deutschland.
Weitere Informationen
www.haz.de

Ursula Hohler: Zwei alte Damen

Zwei alte Damen
Nicht ohne Energie
doch etwas gebeugt
geht die alte Dame
auf der anderen Seite der Strasse
jetzt bleibt sie stehen
blickt ratlos zum Boden
und weiss wohl nicht mehr
was sie eben noch wollte
ein Bild meiner Zukunft
denke ich schaudernd
da sehe ich erst
dass sie auf dem Handy
ein SMS liest

Ursula Hohler

aus: «Poetische Seufzer – Aus dem Tal der Füchsin»
Ursula Hohler – Ruth Lewinski
Wörterseh Verlag, 2011


Due vecchie signore
Non senza energia
ma comunque un po’ curva
cammina la vecchia signora
sull’altra sponda della strada.
Ora rimane ferma
guarda a terra un po’ perplessa
e forse non sa più
cosa voleva poco prima.
Un’immagine del mio futuro
penso rabbrividendo
poi vedo che
sul suo cellulare
sta leggendo un SMS

Ursula Hohler

da: «Poetische Seufzer – Aus dem Tal der Füchsin»
Ursula Hohler – Ruth Lewinski
Wörterseh Verlag, 2011

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